Die Neue Leipzig-Charta
Artikel Stadtentwicklung
Am 30. November 2020 haben die in Europa für Stadtentwicklung zuständigen Ministerinnen und Minister die "Neue Leipzig-Charta. Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl" verabschiedet.
Die Neue Leipzig-Charta ist die Weiterentwicklung der Leipzig-Charta, die 2007 unter der damaligen deutschen Ratspräsidentschaft verabschiedet wurde. Damit geht sie als strategisches Rahmenwerk zur gemeinwohlorientierten, integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung auf Herausforderungen und Themen ein, die seit 2007 an Bedeutung gewonnen haben. Hierzu zählen beispielsweise der Klimawandel, der soziale Zusammenhalt oder die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf europäische Städte. Sie liefert damit die Grundlage für eine zukunftsgerichtete Transformation der Städte.
Die Neue Leipzig-Charta bezieht sich dabei auf fünf handlungsleitende Grundprinzipien, die entlang von drei inhaltlichen Dimensionen und auf drei räumlichen Ebenen in der europäischen Stadt Anwendung finden. Die Charta definiert zudem zwei Handlungsfelder für die städtische Transformation: Aktive und strategische Bodenpolitik sowie die Gestaltung der digitalen Transformation. Im abschließenden Teil geht es um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für eine integrierte Stadtentwicklung auf nationaler und europäischer Ebene.
Drei Dimensionen der europäischen Städte
Die Neue Leipzig-Charta beschreibt drei übergeordnete Dimensionen und dazugehörige Leitziele, die es gilt, integriert und im Zusammenhang zu denken: Dies sind die gerechte, die grüne und die produktive Stadt. Diese orientieren sich an den drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung, interpretieren sie aber im Hinblick auf eine integrierte und strategische Stadt- und Gesellschaftsentwicklung. Hinzu kommt die Digitalisierung als Querschnittsdimension.
Die gerechte Stadt zielt auf eine inklusive Stadtgesellschaft, die geprägt ist von Chancengleichheit, Zugang zu sozialer Infrastruktur und von sozialer Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Geschlecht, Status, Alter oder Herkunft.
Blick in einen Garten eines Mehrfamilienhauses. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Weeber+Partner
Die grüne Stadt hat eine umwelt- und klimafreundliche Entwicklung der Städte im Blick. Sie zeichnet sich aus durch eine verantwortungsbewusste Inanspruchnahme von Flächen, eine klimaneutrale Energieversorgung, den Einsatz erneuerbarer Ressourcen, ein gesundes Lebensumfeld geprägt durch grüne und blaue Infrastrukturen, eine hohe Biodiversität und nachhaltige Mobilität mit Fokus auf dem Fahrradverkehr und dem ÖPNV.
Die produktive Stadt schafft die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Ziel ist eine nachhaltige urbane Ökonomie, die sich durch innovative, wettbewerbsfähige, klima- und umweltfreundliche Strukturen auszeichnet. Diese bilden die Basis für eine starke Nutzungsmischung von Quartieren.
Als Querschnittsthema trägt die Digitalisierung maßgeblich zur städtischen Transformation hin zu nachhaltigen Strukturen bei, eröffnet neue Chancen, birgt aber Risiken für Teilhabe und bürgerliche Freiheiten.
Grundprinzipien guter Stadtentwicklungspolitik
Während die drei Dimensionen Leitziele beschreiben, werden hier Prinzipien guter Stadtentwicklungspolitik definiert. Diese bauen auf der Leipzig-Charta von 2007 auf und entwickeln sie weiter.
Eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik hat die Interessen der Allgemeinheit im Fokus und stellt dafür geeignete Dienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem die Gesundheitsversorgung, soziale Dienstleistungen, Bildung, kulturelle Angebote, Wohnen, Wasser- und Energieversorgung, Naherholung oder öffentlicher Nahverkehr.
Eine Frau arbeitet am Modell einer Stadt (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Westend61/Getty Images
Der integrierte Ansatz verfolgt eine gleichzeitige und gerecht abgewogene Berücksichtigung aller Planungen und Interessen, die für die Stadtentwicklung relevant sind und bewertet deren Wirkungen im städtischen Raum. Dabei fördert er die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft, von Verbänden, zivilgesellschaftlichen Netzwerken und Vereinen. Diese bringen ihr Fach- und Alltagswissen ein und stehen für eine demokratische und pluralistische Stadtentwicklung. Dabei gilt es auch neue Formen der Mitgestaltung, beispielsweise in Form von Ko-Produktion, zu fördern.
In der Stadtentwicklung spielen Akteure auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene eine zentrale Rolle, um die komplexen Herausforderungen der Stadtentwicklung zu bewältigen. Eine Kooperation über die administrativen Ebenen hinweg in Form eines Mehrebenen-Ansatzes, wie ihn die Nationale Stadtentwicklungspolitik in Deutschland umsetzt, bildet dafür die Grundlage.
Der ortsbezogene Ansatz verdeutlicht die Diversität der europäischen Städte. Jede Kommune und jedes Quartier ist geprägt durch eigene Qualitäten und Herausforderungen. Notwendig sind daher individuelle und lokal angepasste Instrumente, die eine Transformation von innen heraus erlauben.
Kommunale Handlungsfähigkeit stärken
Herausforderungen unserer Gesellschaft werden in den kleinen, mittleren und größeren Städten bewältigt – oder gar nicht. Städte und Kommunen müssen deswegen in die Lage versetzt werden, die Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen. Dazu benötigen sie geeignete rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, qualifiziertes Personal sowie eine Lenkungs- und Gestaltungshoheit bei öffentlichen Dienstleistungen, etwa der Daseinsvorsorge.
Wichtiges Aktionsfeld der Städte ist eine nachhaltige Flächen- und Bodenpolitik, die Innen- vor Außenentwicklung begünstigt und polyzentrische, kompakte Siedlungsstrukturen sowie gemischte Nutzungen in Quartieren ermöglicht.
Als ein übergeordnetes Ziel formuliert die Neue Leipzig Charta in diesem Zusammenhang auch, den digitalen Wandel im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten.
Die städtische Dimension in EU-Förderinstrumenten stärken
Förderung auf EU-Ebene erfolgt im Bereich der Stadtentwicklung primär über den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung als Teil der Europäischen Investitions- und Strukturfonds. Darüber hinaus ermöglicht die Urbane Agenda für die EU als Mehrebenen-Ansatz eine vertikale und horizontale Kooperation zu ausgewählten städtischen Themen, um die EU-Instrumente mehr auf städtische Herausforderungen auszurichten und den Wissenstransfer zu stärken.
Ausstellung "Living the City" in Berlin
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