Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030
Artikel Wohnen
Nationaler Aktionsplan Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenberichterstattung
Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu überwinden. Dies wird nur gelingen, wenn Bund, Länder und Kommunen partnerschaftlich mit allen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenarbeiten.
Emblem der Europäischen Union (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Europäische Union
Obdachlosigkeit ist ein großes gesellschaftliches Problem mit wachsender Bedeutung in vielen Ländern Europas. Laut dem europäischen Dachverband der Wohnungslosenhilfe (FEANTSA) und der Abbé Pierre Stiftung waren im Jahr 2023 mindestens 895.000 Menschen in Europa ohne Wohnung. Weitere Informationen zum Thema "Obdachlosigkeit / Wohnungslosigkeit in der EU finden Sie hier.
Laut der Definition des Wohnungslosenberichterstattungsgesetzes (WoBerichtsG) sind Menschen wohnungslos, wenn die Nutzung einer Wohnung durch eine Person oder eine Mehrheit von Personen desselben Haushalts weder durch einen Mietvertrag oder einen Pachtvertrag noch durch ein anderes Recht abgesichert ist oder eine Wohnung einer Person aus sonstigen Gründen nicht zur Verfügung steht.
Demnach besteht Wohnungslosigkeit auch, wenn die Betroffenen in einer Notunterkunft, einem Wohnheim, bei Freunden oder Verwandten, einer Frauenschutzeinrichtung oder als Selbstzahler in einem günstigen Beherbergungsbetrieb leben. Hinzu kommen nach der Definition auch Personen, die als anerkannte Geflüchtete in Asylunterkünften leben.
Ziel der Bundesregierung ist es, gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen, die im Rahmen der Selbstverwaltung und der Rechtslage zur menschenwürdigen Unterbringung unfreiwillig obdachloser Menschen verpflichtet sind, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 überwunden werden kann.
Hierzu wird als erster Schritt ein Nationaler Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit erstellt.
Nationaler Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit
Wohnungs- und Obdachlosigkeit berührt unterschiedliche Rechtsbereiche und Politikfelder und liegt häufig aufgrund der föderalen Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz des Bundes. Die Inhalte des Nationalen Aktionsplanes zur Überwindung der Wohnungslosigkeit werden daher in den kommenden Monaten gemeinschaftlich in einem umfassenden Beteiligungsprozess intensiv mit allen beteiligten Akteuren erarbeitet. Dazu zählen Vertreter und Vertreterinnen der Bundesressorts, der Länder sowie der Kommunen und Akteuren aus der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft.
An einer Wand oberhalb eines Fensters sind stilisierte Häuser mit Schlagworten angeheftet. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Henning Schacht
Der Nationale Aktionsplan wird die Impulse aus dem Beteiligungsprozess berücksichtigen und soll zum Ende des Jahres 2023 in Form eines Leitbildes durch das Bundeskabinett verabschiedet werden. Das zu erarbeitende Leitbild wird insbesondere Kernaussagen über grundlegende Ziele, Werte und Erfolgskriterien, Schlüsselmaßnahmen sowie die Form der Zusammenarbeit aller Beteiligten enthalten. Hierbei werden auch bisher wenig verbreitete Ansätze wie z. B. Housing First betrachtet. Housing First sieht u.a. eine vorrangige Versorgung mit Wohnraum vor. Eine Verbreitung dieses Ansatzes in den Regionen Deutschlands soll befördert werden.
Die englische Version der Broschüre finden Sie hier.
Mit dem Nationalen Aktionsplan startet ein Nationales Forum Wohnungslosigkeit, das kontinuierlich an der Umsetzung der Maßnahmen arbeitet. Das Forum setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der an der Umsetzung beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Akteure zusammen. Es wird den Prozess zum Nationalen Aktionsplan unterstützen und daran mitwirken, jährliche Arbeitsprogramme aus dem Aktionsplan abzuleiten und die Umsetzung der Empfehlungen kontinuierlich zu begleiten.
Auf Bundesebene wird zudem beim Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Kompetenzstelle zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit eingerichtet. Die Kompetenzstelle bündelt Informationen, bietet Beratungsleistungen an, fördert Modellvorhaben und vernetzt alle Akteure miteinander.
Eine zentrale Maßnahme um der Wohnungslosigkeit entgegenzuwirken, ist die Erhöhung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum. Am 27. April 2022 gründete sich das Bündnis bezahlbarer Wohnraum auf Einladung von Bundesbauministerin Klara Geywitz. Die Bündnismitglieder haben sich auf 187 Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive im Wohnungswesen verständigt. Das Anliegen, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu überwinden, wird vom Bündnis unterstützt. Sie begleiten die Erarbeitung und Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur Überwindung der Wohnungslosigkeit (NAP). Ein Förderschwerpunkt des BMWSB liegt auf dem sozialen Wohnungsbau. Denn die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum ist ein wesentliches Element bei der Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit. Hierfür stellt der Bund den Ländern im Zeitraum von 2022 bis 2026 Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Bundesministerin Klara Geywitz mit der BAG-W-Vorsitzenden Werena Rosenke vor dem kleinen Aktionshaus der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslose (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Stefanie Loos
Wohnungslosenbericht des Bundes
Umfassende Informationen über den Umfang der Wohnungs- und Obdachlosigkeit im Bundesgebiet
Am 8. Dezember 2022 legte die Bundesregierung erstmals einen gesamtdeutschen Überblick über die Situation wohnungsloser Menschen vor. Grundlage ist das Wohnungslosenberichterstattungsgesetz (WoBerichtsG), das die Bundesregierung seit dem Jahr 2022 verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht vorzulegen.
Der Wohnungslosenbericht enthält Informationen zum Ausmaß, der Struktur und den sozialstrukturellen Merkmalen von Wohnungslosigkeit in Bezug auf drei Gruppen wohnungsloser Menschen: durch Maßnahmen der Gemeinde untergebrachte Personen, verdeckt wohnungslose Personen, die unfreiwillig bei Freunden oder Verwandten leben sowie Personen ohne sichere Unterkunft.
Auf der Basis von statistischen Erhebungen und empirischen Forschungen ergibt sich für das Jahr 2022 folgendes Bild:
- 178.100 Personen sind im System der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht
- 49.300 Personen sind verdeckt wohnungslos
- 37.400 Personen leben ohne Unterkunft auf der Straße oder in Behelfsunterkünften
Unter Berücksichtigung von möglichen Doppelerfassungen wird die Zahl der Wohnungslosen mit rund 262.000 beziffert.
In dem Bericht werden die sozialstrukturellen Merkmale (z. B. Geschlecht, Alter, Bildung, Migrationshintergrund, Familienstand etc.) der drei Gruppen wohnungsloser Menschen analysiert und Empfehlungen der Forschenden zur Weiterentwicklung der Berichterstattung sowie künftiger möglicher Analyseschwerpunkte diskutiert. Der Bericht stellt außerdem die künftigen Handlungsansätze des BMWSB vor, um Wohnungslosigkeit zu bekämpfen.
Der nächste Wohnungslosenbericht der Bundesregierung wird turnusgemäß Ende des Jahres 2024 erscheinen.
Den Wohnungslosenbericht 2022 können Sie hier abrufen: www.bmwsb.bund.de/wohnungslosenbericht-2022