Kommunale Wärmeplanung
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Für eine deutschlandweit zukunftsfeste und bezahlbare Wärmeversorgung
Die Wärmeversorgung macht in Deutschland mehr als 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus und verursacht einen Großteil des CO2-Ausstoßes. Denn rund 80 Prozent der Wärmenachfrage wird derzeit durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl gedeckt, die aus dem Ausland bezogen werden. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt nahezu jeder zweite mit Gas und knapp jeder vierte mit Heizöl. Fernwärme macht aktuell rund 14 Prozent aus, jedoch wird diese bisher ebenfalls überwiegend aus fossilen Brennstoffen gewonnen.
Wie stark die Preise von Gas und Öl ansteigen können, wurde uns letztes Jahr vor Augen geführt. Innerhalb kürzester Zeit verteuerten sich die Heizkosten aufgrund deutlicher Preissteigerungen dieser beiden fossilen Brennstoffe enorm. Für eine zukunftsfeste, verlässliche und vor allem bezahlbare Wärmeversorgung werden wir zukünftig nur noch auf Erneuerbare Energien und die Nutzung unvermeidbarer Abwärme aus z. B. Industrieanlagen und Rechenzentren setzen.
Damit diese Umstellung gelingt und wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zügig überwinden können, soll zukünftig jede nach Maßgabe des Landesrechts planungsverantwortliche Stelle – häufig werden dies die Kommunen sein – strategisch planen, welche Gebiete in welcher Weise mit Wärme (z. B. dezentral oder leitungsgebunden) versorgt werden sollen und in welcher Weise erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme bei Erzeugung und Verteilung genutzt werden können.
Ein herausragendes Ziel der Wärmeplanung ist es, den vor Ort besten und kosteneffizientesten Weg zu einer klimafreundlichen und fortschrittlichen Wärmeversorgung zu ermitteln. Der Bund unterstützt finanziell und beratend bei der Erstellung der Wärmepläne.
Die Wärmeplanung als zukünftiger bundesweiter Standard
Das Wärmeplanungsgesetz schafft die rechtliche Grundlage für die verbindliche und systematische Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung in ganz Deutschland. Die Wärmeplanung soll als wegweisendes Instrument auf der Grundlage der lokalen Gegebenheiten einen Weg aufzeigen, wie zukünftig Schritt für Schritt die Wärmeversorgung auf die Nutzung von Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme umgestellt werden kann. Das Wärmeplanungsgesetz enthält Vorgaben für Inhalte und eine sinnvolle Abfolge von einzelnen Arbeitsschritten bis zur Erstellung eines Wärmeplans und daneben auch zeitlich gestaffelte Vorgaben an die Wärmenetzbetreiber zur Dekarbonisierung ihrer Netze.
In einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein wird die Wärmeplanung bereits umgesetzt.
Auch viele Gemeinden, in denen es noch keine Vorgaben seitens ihres Bundeslandes gibt, sind vielerorts schon dabei, Wärmepläne aufzustellen. Insgesamt ist fast jede fünfte Stadt (21 Prozent) bereits mit der Aufstellung oder Umsetzung einer Wärmeplanung befasst. Damit werden deutschlandweit bereits die Weichen für eine moderne, klimafreundliche, verlässliche und bezahlbare Wärmeversorgung gestellt.
Das Wärmeplanungsgesetz setzt erstmals bundesweite Standards. Bereits bestehende Wärmepläne werden durch das Bundesgesetz anerkannt und müssen erst im Rahmen der Fortschreibung die bundesrechtlichen Regelungen erfüllen.
Wärmeplanung in Europa
In vielen europäischen Ländern ist die Wärmeplanung bereits Realität. Dänemark zählt hierbei zu den Vorreitern. Unser Nachbarstaat hatte bereits anlässlich der Ölkrise in den 70er-Jahren Möglichkeiten gesucht, wie die nationale Energieversorgung der Zukunft sichergestellt werden kann. Ende der 70er-Jahre wurden dänische Kommunen verpflichtet, langfristige Wärmepläne zu erstellen und auf Erneuerbare Energiequellen und Fernwärmenetze zu setzen.
Im Wärmeplanungsgesetz sind auch Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Beteiligung an der Wärmeplanung angesprochen. Die beiden Städte Straßburg und Kehl sowie Görlitz und Zgorzelec zeigen, dass eine grenzüberschreitende Wärmeversorgung möglich ist. An der deutsch-französischen Grenze wird voraussichtlich ab 2027 die unvermeidbare Abwärme des lokalen Stahlwerkes tausende Haushalte auf beiden Seiten des Rheins mit Wärme versorgen. An der deutsch-polnischen Grenze ist eine klimaneutrale Fernwärmeerzeugung ab 2030 vorgesehen. Dadurch rückt Europa noch näher zusammen.
Das Gesetz erhöht die Planungs- und Investitionssicherheit
Für Wärme-, Gas- und Stromverteilnetzbetreiber sowie Gewerbe- und Industriebetriebe ist es wichtig, dass sie bei Investitionsentscheidungen genügend Vorlauf bei der Planung haben. Auch Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer wünschen sich Informationen darüber, welche Art von Wärmeversorgung in ihrer Umgebung zukünftig realisiert werden soll. Mit dem Wärmeplanungsgesetz können sich alle an einem fundierten Rahmen orientieren. Damit lassen sich langfristig die notwendigen personellen und technischen Kapazitäten aufbauen, um bis zum Jahr 2045 eine kosteneffiziente und klimafreundliche Wärmeversorgung sicherzustellen.
Zudem ist die Wärmeplanung auch ein Stück weit moderne Industriepolitik. Denn: Als Wärmeversorgungsoption wird die Kategorie Wasserstoffnetz eingeführt. Gebiete können im Wärmeplan als Wasserstoffnetzgebiet ausgewiesen werden, wenn die Betreiber einen verbindlichen Fahrplan für die Umstellung des Gasnetzes auf Wasserstoff vorlegen. Wir schaffen damit Platz für technologische Innovationen bei der Energie- und Wärmeversorgung, denn der Hochlauf von grünem Wasserstoff als Option für eine klimafreundliche Wärmeversorgung steht derzeit noch in den Startlöchern.
Klare Zuständigkeiten und gute Planbarkeit
Damit bei der Wärmeplanung niemand überfordert wird, sind die Fristen für die Erstellung der Wärmepläne nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeindegebiete gestaffelt.
Für Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern muss bis zum 30. Juni 2026 ein Wärmeplan erstellt werden. Für alle Gemeindegebiete mit weniger Einwohnerinnen und Einwohnern besteht hierfür Zeit bis zum 30. Juni 2028.
Stichtag für die Einwohnerzahl ist der 1. Januar 2024. Für die kleineren Gemeinden unter 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern können zudem vereinfachte Verfahren mit reduzierten Anforderungen vorgesehen werden. Zugleich können sich kleinere Gemeinden auch zusammenschließen und in einem sogenannten "Konvoi-Verfahren" einen gemeinsamen Wärmeplan erstellen.
Die verfügbaren Wärmeerzeugungs- und Energiequellen, die Infrastrukturen und der Verbrauch sind in jeder Kommune, jedem Stadtteil oder Gewerbegebiet unterschiedlich. Stadtwerke sowie andere Wärme- und Energieversorgungsunternehmen sollen mit der für die Wärmeplanung nach Landesrecht zuständigen Stelle (in der Regel dürfte dies die Kommune sein) Strategien für maßgeschneiderte Wärmeversorgungskonzepte entwickeln, die die jeweiligen regionalen Unterschiede abbilden. Wie unterschiedlich die Regionen Deutschlands aufgestellt sind, zeigen beispielhaft die Wärmenetzanschlüsse: Während 30 Prozent der Haushalte in Ostdeutschland an ein Wärmenetz angeschlossen sind, liegt die Zahl in Westdeutschland derzeit bei knapp 10 Prozent. Wärmenetze können eine flexible und – im Vergleich mit anderen Heizungsarten – besonders kosteneffiziente klimaneutrale Lösung für die Wärmeversorgung von Kommunen oder Stadtquartieren sein. Denn sie ermöglichen es, den Wärmebedarf ohne Neuinstallation einer Einzelheizung aus zentralen, zukünftig erneuerbaren Quellen zu decken. Zudem können sie verschiedene Erneuerbare Energiequellen und unvermeidbare Abwärme in die Wärmeversorgung integrieren und besonders effizient die Nutzung von Strom und Wärme miteinander verbinden. Wärmenetze sollen daher möglichst überall dort auf- und ausgebaut werden, wo die leitungsgebundene Wärmeversorgung Kostenvorteile gegenüber einer dezentralen klimaneutralen Eigenversorgung aufweist.
Das Wärmeplanungsgesetz gibt bestimmte Ziele für die Erzeugung der Wärme in Wärmenetzen vor: Ab dem 1. März 2025 müssen neue Wärmenetze zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent der jährlichen Nettowärmeerzeugung mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder Kombination hieraus gespeist werden. Bis 2030 müssen bestehende Wärmenetze zu 30 Prozent aus Erneuerbaren Energien, aus Abwärme oder aus einer Kombination von beiden betrieben werden. Bis 2040 soll dieser Anteil bis zu 80 Prozent betragen. Das Ziel ist ein vollständiges fossilfreies Wärmenetz bis 2045.
Schrittweise Verfahren – Dynamik im Blick
Bei der Wärmeplanung müssen immer zwei Fragen beantwortet werden:
- Wie viel Wärme wird aktuell vor Ort gebraucht?
Hierzu wird eine sogenannte Bestandsanalyse, der sogenannte Ist-Zustand, erstellt. Darin werden der derzeitigen Wärmebedarf oder -verbrauch einschließlich der hierfür eingesetzten Energieträger, die vorhandenen Wärmeerzeugungsanlagen und die für die Wärmeversorgung relevanten Energieinfrastrukturanlagen ermittelt.
- Mit welcher Wärmequelle und Infrastruktur kann die Wärme in Zukunft bereitgestellt werden und wie hoch ist der zukünftige Wärmebedarf?
Danach folgt eine sogenannte Potenzialanalyse. Dabei wird u. a. geprüft, welche unterschiedlichen Quellen für erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme perspektivisch für die Wärmeversorgung verfügbar sind. Das kann z. B. die Abwärme aus lokalen Rechenzentren sowie erneuerbare Energie aus Abwasser, Solarthermie, Geothermie, Biomasse, grünem Wasserstoff oder anderen Quellen sein.
Die planungsverantwortlichen Stellen entwickeln auf Grundlage der Potentialanalyse Zielszenarien, eine Einteilung des Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete und eine Umsetzungsstrategie.
Um sich verändernde Rahmenbedingungen und Lerneffekte zu berücksichtigen, ist eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Wärmepläne vorgesehen.
Im Ergebnis zeigt die Wärmeplanung ganz konkret Gebiete, die zentral über ein Wärmenetz, über ein Wasserstoffnetz oder dezentral über Anlagen in oder an Gebäuden (z. B. eine Wärmepumpe oder ein Biomassekessel) versorgt werden können. Für den Fall, dass die Entscheidung hierüber noch nicht getroffen werden kann oder dass belastbare Überlegungen zur Umstellung des Gasnetzes auf grünes Methan (z. B. Biomethan) vorliegen, wird das betroffene Gebiet als Prüfgebiet ausgewiesen. Der Wärmeplan wird anschließend durch die nach Maßgabe des Landesrechts zuständige Stelle beschlossen und im Internet veröffentlicht.
So können Gebäudeeigentümerinnen und -Eigentümer transparent einsehen, welche Versorgung in ihrem Gebiet voraussichtlich vorgesehen ist und welche Optionen für sie zukünftig zur Verfügung stehen sollen.
Planungen weiterführen – Wissen teilen
Betreiber von Wärme- und Verteilernetzen (Strom, Gas) sollen ihre vorhandenen Planungen der zuständigen Stelle mitteilen und die Festlegungen des Wärmeplans in ihren Aus- und Umbauplanungen berücksichtigen.
Als methodische Handreichung für die Kommunen oder anderen Planungsverantwortliche gibt es de "Leitfaden Wärmeplanung".In diesem werden die Anforderungen des Gesetzes (unverbindlich) näher erläutert, um die planungsverantwortlichen Stellen zu unterstützen. Direkt an die Kommunen richtet sich das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) in Halle mit umfangreichen Informationen und Unterstützungsangeboten.
Einige Vorreiter wie beispielsweise Rostock, Freiburg oder der Landkreis Lörrach haben bereits kommunale Wärmepläne erstellt, die online abrufbar sind. Von diesen Erfahrungen können andere Kommunen profitieren.
Wie können sich Öffentlichkeit und andere wichtige Akteure an der Wärmeplanung beteiligen?
Die relevanten Weichenstellungen für die Wärmeplanung werden regional und lokal vor Ort getroffen. Die dazu notwendigen langfristigen strategischen Entscheidungen müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern und anderen für diese Entscheidungen notwendigen Akteuren diskutiert und später auch umgesetzt werden. Bei der Erstellung der Wärmepläne ist daher eine breite gesellschaftliche Beteiligung vorgesehen: Öffentlichkeit, Betreiber von Energie- und Wärmeversorgungsunternehmen, Träger öffentlicher Belange, Großverbraucher, Energiegemeinschaften und andere sollen in den Prozess einbezogen werden.
Finanzielle Unterstützung durch den Bund
Zur Unterstützung der erstmaligen Erstellung von Wärmeplänen wird der Bund den Ländern zeitlich bis 2028 befristet über einen erhöhten Anteil der Länder an der Umsatzsteuer finanzielle Mittel in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Finanzmittel des Bundes fließen auf diesem Weg in die jeweiligen Landeshaushalte. Ermöglicht wird dies über eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (FAG), die noch im Jahr 2024 erfolgen wird. Das FAG regelt auch, wie die Mittel auf die Länder verteilt werden. Die Weitergabe der finanziellen Unterstützung an die Kommunen erfolgt dann durch die Länder.
Gesetzlicher Rahmen – Gebäudeenergiegesetz (GEG) und Wärmeplanungsgesetz gehen Hand in Hand
Das Gebäudeenergiegesetz ist technologieoffen gestaltet. Es sieht verschiedene Erfüllungsoptionen im Rahmen der geplanten 65 Prozent Erneuerbare-Energie-Vorgabe vor. Eine davon ist der Anschluss an ein Wärmenetz. Der Entwurf des GEG enthält daher auch Verknüpfungen zur kommunalen Wärmeplanung.