Hauskauf-Programm mit "erheblichem Fördervolumen"

Typ: Interview , Datum: 19.09.2023

Interview mit Klara Geywitz: Bauministerin erhöht Baugeld für Familien

Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am 16.09.2023

Zins-Schock und Kostenexplosion drücken die Bau-Branche in die Knie. Bundesbauministerin Klara Geywitz will jetzt gegensteuern: Familien sollen beim Hauskauf stärker gefördert, die Abschreibemöglichkeiten sollen erhöht und die Grunderwerbsteuer gesenkt werden.

Im Interview mit unserer Redaktion kündigt Bauministerin Klara Geywitz von der SPD ein ganzes Maßnahmenpaket an, mit dem die Baukrise gedämpft und der Neubau angekurbelt werden soll. Was genau ist geplant, wie viel Geld wird es geben, und reicht all das aus, um den Kollaps wirklich abzuwenden?

Das Interview mit Bauministerin Klara Geywitz über Baukrise, Hauskauf, Heizungsgesetz und Wärmepumpen:

Frau Geywitz, gestiegene Zinsen und andere Kosten würgen den Bau mit seinen gut 2,3 Millionen Beschäftigten ab. Wie will die Bauministerin Abhilfe schaffen?

Wir setzen viele Hebel an, um die Baukonjunktur gezielt zu stabilisieren und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Zunächst soll am 1. Oktober eine neue Abschreibemöglichkeit an den Start gehen. Wohngebäude können dann für sechs Jahre um jeweils sechs Prozent abgeschrieben werden – ohne Baukostendeckelung und mit den jetzt geltenden Baustandards. Das macht den Wohnungsbau auf einen Schlag deutlich attraktiver und setzt so einen spürbaren Anreiz, geplante Bauvorhaben zügig umzusetzen und neue Bauinvestitionen jetzt zu tätigen. Aufgrund der gestiegenen Zinsen haben wir schon Zinsverbilligungsprogramme aufgelegt. Und wir haben in der Bundesregierung gemeinsam beschlossen, noch im September ein Paket mit weiteren Maßnahmen zur Belebung des Wohnungsbaus vorzulegen.

Bauwilligen Familien bringt das wenig…

Dafür kommt ein zweiter Hebel: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Wohneigentumsförderung für junge Familien zu verbessern. Es gibt ein Programm für Familien mit einem Jahreseinkommen bis 60.000 Euro. Diese Grenze sollte angehoben werden. Zudem könnten die Kredithöhen steigen. Die Abstimmungen dazu laufen, denn es geht um ein erhebliches Fördervolumen, das stabil finanziert werden muss. In diesem Jahr haben wir 350 Millionen Euro für diese Zinssubventionen zur Verfügung. Ich bin zuversichtlich, dass die verbesserten Konditionen in wenigen Wochen stehen.

Wer wenig hat, kommt schwer an Kredite. Was ist mit staatlichen Zuschüssen für’s Eigenheim, die nicht zurückgezahlt werden müssen?

Bei Zuschüssen bin ich sehr zurückhaltend. Das würde sehr schnell Milliardenkosten zu Lasten des Steuerzahlers auslösen. Aber wir müssen die Nebenkosten drücken, und dazu zählt die Grunderwerbsteuer, die in den Boomjahren von vielen Bundesländern deutlich angehoben worden ist. Das sind etliche tausende Euro Zusatzkosten, die viele Familien abschrecken. Ich stehe daher voll hinter dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner, den Ländern zu ermöglichen, beim Bau des ersten Eigenheims die Grunderwerbsteuer ungeachtet des Familieneinkommens komplett zu erlassen.

Verzichten die Länder freiwillig auf das Geld?

Ich kann die Bundesländer nur ermuntern, dabei mitzumachen. Es ergibt ja keinen Sinn, wenn der Bund etwas fördert, was die Länder wieder einkassieren. In der gegenwärtigen Baukrise müssen alle staatlichen Ebenen unterstützen und auf zusätzliche Steuereinnahmen verzichten.

Soll das wirklich reichen, um den Niedergang beim Bau zu stoppen?

Wichtig sind unterstützende Maßnahmen, davon haben wir viele. Wir wollen die Förderung für Wohnheime für Azubis und Studierende bis 2025 verlängern, das heißt, wir wollen eine Milliarde Euro zusätzlich investieren. Weitere 150 Millionen Euro gibt es für den altersgerechten Umbau von Häusern. Und auch die Baubranche ist gefragt, Lösungen anzubieten, die das Bauen günstiger machen.

Vielen Baufirmen steht das Wasser schon bis zum Hals…

Wir reden mit der Baubranche und den Handwerksbetrieben sehr regelmäßig, so zum Beispiel über die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu zahlen, bei dem der Staat einen Großteil des Lohnes übernimmt. Denn wir müssen die Fachkräfte halten und dürfen sie nicht in der Krise verlieren. Der Bedarf an Wohnungen ist ja riesengroß. Auch für die Energie- und Wärmewende braucht es gewaltige Kapazitäten. Ich sehe auch keinen Niedergang auf den Bau zukommen. Wir haben eine kurze konjunkturelle Herausforderung. Das kommende Jahr wird noch schwer werden, für 2024 braucht es definitiv Unterstützung, die ja auch kommt. Aber die Zinsen sind nicht historisch hoch. Es ist ganz Wesentlich der Zins-Sprung, der die Branche kalt erwischt hat. Für 2025 erwarten quasi alle Experten eine Gewöhnung des Marktes an das neue Zinsniveau. Mit den von der Ampel vorgeschlagenen Hilfen wird es gelingen, durch das Tal zu kommen.

Verhindert in Wahrheit nicht Finanzminister Lindner von der FDP einen echten Wumms für den Bau, um nicht noch mehr Schulden zu machen?

So einfach ist es nicht. Die Schuldenbremse gilt nun mal. Die Politik kann nicht jedes Problem mit neuen Milliarden lösen. Wir müssen digitaler werden, wir müssen mehr Vorfertigung und serielles Bauen erreichen, um die Kosten zu senken. Aber es gibt eben schon den massiven Einbruch der Bauanträge um bis zu einem Viertel. Deswegen gilt es mit aller Kraft zu verhindern, dass Fachkräfte der Branche den Rücken kehren, ein Kapazitätsabbau könnte sich fatal auswirken. Es macht mir auch Sorge, dass wir die Lage schlechter reden, als sie tatsächlich ist. Ende des Monats trifft sich das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum bei Kanzler Olaf Scholz und dabei werden wir einen guten Gesamtaufschlag hinbekommen.

Zum Heizungsgesetz: Da sehen sich zahllose Familien auf dem Land doppelt gekniffen. Ältere Häuser müssten für Wärmepumpen teuer saniert werden, und Wärmenetze werden in dünn besiedelten Regionen nicht verlegt. Werden die Menschen auf dem Land zu den Wärmewende-Verlierern?

Nein, auf gar keinen Fall. Mir als Brandenburgerin war besonders wichtig, dass wir die Wärmeplanung auch für kleine Gemeinden bekommen und die Gemeinden Teamwork machen können, um Wärmenetze zu planen und zu bauen. Klar, es wird auf dem flachen Land keine riesigen Fernwärmesysteme geben, aber es gibt tolle Ideen und Pläne für Nahwärmenetze. Hier eröffnen sich wirklich sehr viele Chancen.

Wer soll den extrem teuren Ausbau der Nahwärmenetze bezahlen: Die klammen Kommunen, die Stadtwerke, oder doch die Hauseigentümer?

Jede Gemeinde muss bis spätestens 2028 ihr Konzept für mögliche zentrale Wärmequellen und den notwendigen Leitungsbau vorlegen. Abwärme, Abwasserwärme, Biomasse, Blockheizkraftwerke… Und wenn die Gemeinden zusammen Wärmepläne erstellen, wird es schnell preiswerter für den Einzelnen. Zudem gibt es staatliche Förderprogramme. Ich sehe in Wärmenetzen ein großes Potenzial, auch für Dörfer auf dem Land.

Und für den Rest bleibt die Wärmepumpe?

Das Ziel von 65 Prozent erneuerbarer Energie lässt sich nicht nur mit Wärmepumpen, sondern auch mit Hybrid-Heizungen erreichen. Auch das Heizen mit Holz wird abseits der Städte weiterhin eine Rolle spielen. Es macht keinen Sinn, jedes alte Haus so zu sanieren, dass eine Wärmepumpe passt.