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Bezahlbar, beschleunigt, bedarfsgerecht - Die Novelle des Baugesetzbuches (BauGB)
Bezahlbar, beschleunigt, bedarfsgerecht - Die Novelle des Baugesetzbuches (BauGB)
Typ: Meldung, Datum: 04.09.2024
BMWSB-Gesetzentwurf wurde vom Bundeskabinett beschlossen
Quelle: AdobeStock- Frank Wagner
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen. Dadurch können private wie staatliche Investitionen schnell, effizient und zielsicher getätigt werden. Das Baugesetzbuch (BauGB) ist die zentrale rechtliche Grundlage für die Stadtentwicklung in Deutschland. In dieser Legislaturperiode wurde das Bauplanungsrecht bereits mehrfach angepasst, u. a., um kurzfristig den Ausbau und die Nutzung von erneuerbaren Energien zu stärken, die Digitalisierung voranzutreiben und Beteiligungsprozesse zu straffen. Jetzt legt das BMWSB den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ vor, um das BauGB zu modernisieren.
Foto: BMWSB/Henning Schacht
"Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum, mehr Digitalisierung und Beschleunigung in den Planungsverfahren und mehr Klimaschutz und Klimaanpassung im Städtebau. Ein modernes und zeitgemäßes Baurecht ist ein wesentlicher Faktor zur Beschleunigung und Steigerung der Bauaktivitäten in Deutschland. Mit dieser großen Novelle des Baugesetzbuches schaffen wir den rechtlichen Rahmen zur Realisierung des Deutschland-Tempos im Bau. Davon profitieren kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden, bauwillige Private und Investoren sowie Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten. Planen, Genehmigen und Bauen werden bürokratieärmer und moderner. Das spart Zeit und Kosten. Die Novelle ist damit unterm Strich ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche. Zudem sorgen wir dafür, dass für ein modernes Bauen der Zukunft die Anpassung an die Folgen des Klimawandels noch stärker mitgedacht wird. Damit stärken wir die Resilienz unserer Städte und Gemeinden!"
Bundesbauministerin Klara Geywitz
Eine Novelle - viele Vorteile
Die umfassende Anpassung des BauGB wird in verschiedenen Bereichen Potenziale freisetzen, entlastend wirken und somit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken. Dank der Novelle wird z. B. die Anwendung des Städtebaurechts einfacher und praxisorientierter. Gemeinden können besser auf bestimmte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Veränderungen reagieren und bei Bedarf schneller Baurechte schaffen. Denkbar sind z. B. Baurechte für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien, für die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien in den Innenstädten bis hin zur Vergrößerung von Einzelhandelsbetrieben.
1. Mehr bezahlbarer Wohnraum
Die BauGB-Novelle wird dem Wohnraummangel aktiv begegnen. Die gesetzlichen Regelungen erleichtern dauerhaft den Wohnungsbau. Städte und Gemeinden können auf der bewährten Grundlage des Städtebaurechts wo nötig und möglich von Bebauungsplänen abweichen, nachverdichten, Gebäude aufstocken oder Flächen für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ausweisen.
Mehr bezahlbarer Wohnraum wird konkret möglich durch:
"Bau-Turbo" (§ 246 e):
Wir schaffen eine Sonderregelung nur für den schnelleren Wohnungsbau. Mit dem 246e BauGB wird der Wohnungsbau in angespannten Wohnungsmärkten vereinfacht und beschleunigt, in dem kein gesonderter Bebauungsplan vorgelegt werden muss. Solchen Vorhaben muss jede Kommune, in der darüber diskutiert wird, zustimmen. Der Bauturbo wird noch einmal im Rahmen der BauGB-Novelle eingebracht. Neu ist, dass die jetzige Regelung eine längere Befristung bis 2027 vorsieht.
Aufstockungen:
Künftig sollen Erweiterungen von Gebäuden überall und nicht mehr nur in angespannten Wohnungsmärkten möglich sein, insbesondere Aufstockungen, auch quartiersweise oder stadtweit, ohne dass ein Bebauungsplan geändert werden muss (vgl. § 31 Absatz 3 BauGB). Bisher es diese Möglichkeit nur im Einzelfall.
Innenentwicklung:
Es soll leichter verdichtet gebaut werden können, d.h. in zweiter Reihe auf dem Grundstück oder auf Höfen. Besitzt also eine Familie einen großen Garten, der Platz für ein zweites Haus lässt, können die Kinder künftig schneller und einfacher ein eigenes Haus auf diesem Grundstück errichten. Bisher scheitert das daran, dass eine solche verdichtete Bebauung häufig nicht dem bisherigen Charakter des Quartiers entspricht.
Sozialer Flächenbeitrag:
Mit Hilfe der sogenannten Baulandumlegung können Gemeinden bis dahin nur schlecht nutzbare Grundstücke entsprechend der Vorgaben eines Bebauungsplans und nach Maßgaben des BauGB neugestalten oder vorbereiten. Dieses Instrument soll genutzt werden, um auf mehr Flächen sozialen Wohnraum zu schaffen. So soll bei der Baulandumlegung ein sozialer Flächenbeitrag eingeführt werden (§ 58a BauGB). Das heißt konkret: Ergibt sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Ergebnis einer Baulandumlegung ein Anspruch der Gemeinde gegen die Eigentümer auf Wertausgleich in Geld, soll sie statt des Geldes eine Fläche verlangen können. Dann muss sie sich jedoch dazu verpflichten, auf dieser Fläche sozialen Wohnungsbau zu errichten. Wertmäßig ändert sich für die Eigentümer dadurch nichts. Eigentümer profitieren weiterhin, denn sie erhalten durch die Umlegung besser nutzbares Land.
Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte:
Kommunale Vorkaufsrechte nach BauGB können zukünftig ausgeübt werden, wenn alle Eigentumswohnungen auf einem Grundstück in einem gemeinsamen Kaufvertrag verkauft werden sollen.
Musikclubs
Mit der großen Novelle des Städtebaurechts soll eine eigenständige, neue Nutzungskategorie der "Musikclubs" in die Baunutzungsverordnung eingeführt werden. Zur weiteren städtebaulichen Hervorhebung der Musikclubs wird zudem vorgeschlagen, eigenständige Gebiete für Musikclubs ausdrücklich in den Katalog der Sondergebiete nach § 11 Absatz 2 BauNVO aufzunehmen, um den Gemeinden deren planerische Sicherung zusätzlich zu erleichtern. Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Musikclubs ein wichtiges Element des kulturellen Lebens sind und daher einen kulturellen Bezug aufweisen.
Umwandlungsschutz:
Das Instrument des Umwandlungsschutzes nach § 250 BauGB wird bis Ende 2027 verlängert. Damit können die Länder in besonders ausgewiesenen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einführen.
2. Mehr Tempo & Innovation
Die BauGB-Novelle sorgt dafür, dass schneller geplant und gebaut werden kann. Das gelingt dadurch, dass Verfahren vereinfacht, Fristen verkürzt und Prozesse digitalisiert werden, u. a. durch:
Fristen für die Bauleitplanung:
Die Aufstellung von Bebauungsplänen dauert häufig mehrere Jahre. Künftig sollen die Gemeinden Pläne im Regelfall innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlichen.
Umweltprüfung und Umweltbericht:
Der Umfang des Umweltberichts soll künftig auf einen angemessenen Umfang im Verhältnis zur Begründung des Bebauungsplans beschränkt werden. Die Prüftiefe soll konzentriert werden auf diejenigen Belange, die tatsächlich auf der abstrakten Planebene (ohne konkretes Vorhaben) bewertbar sind.
Innovationsklausel:
Veraltete Bebauungspläne sollen künftig schneller aktualisiert werden können ("Innovationsklausel"). Grundsätzlich findet auf einen Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt der Planaufstellung galt. Verbesserungen in der BauNVO wirken daher immer nur für die Zukunft, es sei denn, die Gemeinde ändert den Plan förmlich. Für diese Änderung eines Bestandsplans auf die jeweils aktuelle BauNVO dient künftig auch das sog. vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB, in dem auf eine Umweltprüfung verzichtet und Beteiligungsverfahren gestrafft werden können.
Digitalisierung:
Die Bekanntmachungen, z. B. zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, werden zukünftig digital veröffentlicht. Die Teilhabemöglichkeit von Menschen ohne Internetzugang wird weiterhin sichergestellt.
3. Mehr Klimaschutz und Klimaanpassung
Der Klimawandel ist auch für das Planen und Bauen in Deutschland eine Herausforderung, die künftig stärker im Baurecht berücksichtigt werden muss. Das Bauen der Zukunft muss den Anforderungen an Klimaschutz und Klimaanpassung gerecht werden. Die Novelle des BauGB befähigt Städte und Gemeinden dazu, sich frühzeitig auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten.
Stärkung der Klimaanpassung
Künftig sollen die Kommunen im Zuge der Erteilung des Baurechts z. B. die Schaffung von dezentralen Versickerungsanlagen auf einem Grundstück anordnen können oder auch die Anlage eines Gründaches. Insbesondere soll eine solche Möglichkeit auch für den sog. unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) geschaffen werden, in dem sich ein Großteil des Bauens abspielt. Dort kommt es bisher allein darauf an, dass sich das neue Gebäude in die umgebende Bebauung einfügt. Flächen sollen zudem künftig leichter multifunktional genutzt werden (z. B. ein Sportplatz zugleich als Retentionsfläche).
Beschleunigung Windenergie und Geothermie
Die Regelungen für die Ausweisung von Windenergiegebieten werden weiterentwickelt. Zudem wird eine ausdrückliche Außenbereichsprivilegierung für Geothermie eingeführt, u.a. um die Umstellung auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu unterstützen. D.h. Geothermie-Anlagen können künftig dann auch da gebaut werden, wo noch kein qualifizierter Bebauungsplan vorliegt bzw. auch außerhalb von Ortsteilen.
Pflanz- und Maßnahmengebot: Stärkung durch Begrünung
Bauherren müssen zukünftig innerhalb einer bestimmten Frist den zuständigen Behörden mitteilen, dass sie sogenannte Ausgleichsmaßnahmen, z. B. das erforderliche Pflanzen von Bäumen oder die Begrünung von Dächern, umgesetzt haben (vgl. § 135a BauGB). Die Anzeigepflicht führt zu weniger Verwaltungsaufwand der Gemeinde im Rahmen der Prüfung der Umsetzung. Das "Grün" im Baugebiet wird verlässlich umgesetzt.
Schnelleres, einfacheres und bezahlbares Bauen
Seit dem Beginn der Legislatur ist die Bundesregierung aktiv, um das Bauen in Deutschland zu beschleunigen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen:
Bau-Turbo-Pakt für Planung und Genehmigung
Im November 2023 haben sich Bund und Länder auf einen ambitionierten Pakt zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen verständigt. Der "Bau-Turbo-Pakt" sorgt dafür, dass Baulücken rasch genutzt, Dächer bebaut oder brachliegende Flächen in Wohnraum umgewandelt werden können. Ziel ist zudem ein Abbau unnötiger Bürokratie, u. a. durch Nutzung von Digitalisierung und damit auch eine spürbare Entlastung der Bauämter. Bund und Länder setzen seit der Verabschiedung den Pakt in ihrer jeweiligen Zuständigkeit um. Auch die Novelle des BauGB ist ein zentraler Bestandteil des Paktes.
Gebäudetyp E
Die Einführung eines Gebäudetyps E ("E" wie einfach) ist ein wichtiges Element, um einfacher und somit schneller zu bauen. Die Akteure aus der Bau- und Planungsbranche werden ermutigt, kreativ und kostengünstig zu planen und zu bauen. Der Bund nimmt dafür die zivilrechtlichen Aspekte im Bereich der transparenten Vertragsgestaltung und -praxis in den Blick, um den am Bau Beteiligten ein vereinfachtes Bauen rechtssicher zu erleichtern. Hierfür hat das BMWSB eine "Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E" mit den Ländern und Partnern des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum abgestimmt und veröffentlicht.
Serielles und Modulares Bauen
Durch industrielle Fertigungsmethoden können das Planen und Bauen der dringend benötigten Wohnungen beschleunigt werden. Konkret kann durch die Vorfertigung von Bauteilen im Werk die Baustellenzeit vor Ort im Schnitt auf rund sechs Monate verkürzt werden. Dies kommt auch den Nachbarschaften zugute. Der Einsatz maschineller Vorproduktion bietet zudem eine Antwort auf den massiven Fachkräftemangel. Das BMWSB treibt gemeinsam mit den Ländern und der Bau- und Wohnungswirtschaft eine flächendeckende Markteinführung des modularen und seriellen Bauens voran. Im Herbst 2023 wurde eine neue Rahmenvereinbarung 2.0 für serielles und modulares Bauen an den Start gebracht.
Digitalisierung
Digitalisierung ist ein wichtiger Schritt dafür, dass das Planen, Genehmigen, Bauen und Betreiben schneller und effizienter werden kann. Die OZG-Aktivitäten des BMWSB beim Wohngeld und beim digitalen Bauantrag sind wichtiger denn je. Auch die Methode "Building Information Modeling" (BIM) ist dafür ein zentrales Instrument. Die sogenannte "Digitalisierungsnovelle des BauGB" hat dafür Sorge getragen, dass das Planen und Bauen in Deutschland einfacher, schneller und bürgerfreundlicher wird. Beteiligungsverfahren, Regelverfahren und Änderungen an Bauleitplänen sind einfacher und schneller.
TA-Lärm (Verantwortungsbereich des BMUV)
Vor allem in Ballungsgebieten ist die Fläche für neuen Wohnraum oft begrenzt. Mancherorts könnte in der Nähe von Gewerbebetrieben dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden, wenn dies mit der Umgebungslautstärke vereinbar ist. Damit das möglich wird, passt die Bundesregierung die TA Lärm an. Zugleich wird klargestellt, dass nicht nur Abstandhalten, sondern auch planerische Vorgaben zu passiven Schallschutzmaßnahmen für die Lärmminderung genutzt werden können. Mit beidem soll erreicht werden, dass Wohnbebauung näher als bisher an Gewerbebetriebe heranrücken kann. Wie immer gilt, dass letztlich vor Ort von Fall zu Fall entschieden werden muss.
Verfahrensstand
Das BMWSB setzt mit der Novelle ein weiteres zentrales Vorhaben der Koalition um.
Die Novelle des BauGB wurde umfassend mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. 2023 gab es z. B. einen Fachdialog zur BauGB-Novelle mit den Partnern des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum. Ende 2023 begannen die Planspiele in den Städten Hannover, Leipzig, Bad Homburg, Höxter, Nordhausen, Hemsbach. In den zurückliegenden Monaten haben fünf Expertengespräche zu den Schwerpunkt-Themenfeldern stattgefunden. Eingeladen waren Vertreter der Wissenschaft, der Justiz, der Anwaltschaft, der Kommunen und der Länder.
Der Gesetzentwurf wurde am 4. September 2024 im Kabinett beschlossen und durchläuft nun das reguläre parlamentarische Verfahren